von Andreas Seitz

Black Box oder Freund?

Data Analytics als Kulturfaktor.

Zonar ist ein digitales Performancetool, das in der Mitarbeiterentwicklung bei Zalando zum Einsatz kommt. Ende 2019 geriet Zonar in die Schlagzeilen. Auslöser war eine Studie der Berliner Humboldt-Uni im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung, in der die Akzeptanz des Tools bei Mitarbeitern abgefragt worden war. Auch wenn die Studie wegen des kleinen Panels nur eingeschränkt aussagekräftig ist, hat sie ins Bewusstsein gerückt, dass über Menschen erhobene Daten – so genannte People Analytics - zu einem Vertrauensverlust führen können. Unabhängig davon, ob Zalando mit Zonar gute Absichten verfolgt.

Zonar ist aus meiner Sicht ein guter Aufhänger, um den Einfluss von Data Analytics auf Organisationskulturen zu verstehen. Daraus abzuleiten, was Organisationen bei der Einführung neuer Analysesysteme bedenken müssen. Und zu verstehen, warum allein die Ankündigung „Wir planen die digitale Transformation“ unweigerlich emotionale Reaktionen auslöst.

Der Zalando-Case hat mich an den oscarprämierten Kurzfilm "Balance" erinnert. Fünf Personen halten in friedlicher Co-Existenz eine schwebende Plattform in Balance. Diese gerät aus dem Gleichgewicht, als eine Blackbox (im Film eine Schatztruhe) auf der Plattform landet. Es entstehen Missgunst und Konflikte, die Plattform gerät aus der Balance. Das kann auch bei der Einführung datenbasierter Tools passieren. Selbst wenn sie aus Organisationssicht einen Mehrwert bieten, lösen sie negative Reaktionen aus. Genau das sagt die Humboldt-Studie über Zonar bei Zalando aus. Organisationskulturen werden sich deshalb um neue Analytics herum neu ausbalancieren müssen, damit Menschen den Systemen vertrauen. Aus der Blackbox werden dann im besten Fall Freunde, mit denen wir gerne zusammenarbeiten – immer unter der Voraussetzung, dass neue Systeme eine gute Absicht verfolgen, Persönlichkeitsrechte achten und Daten gut geschützt sind.

Dabei spielt es keine Rolle, ob wirklich Algorithmen zum Einsatz kommen, wie die Studie vorgibt, es sich laut Zalando aber nur um digital gesammelte Daten handelt, die von Menschen ausgewertet werden. Der Begriff Algorithmus ist zum Synonym für alles geworden, was nebulös, durch uns nicht beeinflussbar und von einer unsichtbaren Autorität gesteuert ist. Damit die Systeme der Zukunft unsere Verbündeten werden, braucht es die Transparenz des Mehrwerts, die Auseinandersetzung mit unserer Verunsicherung sowie das Verständnis dafür, wie wir Vertrauenskulturen in der digitalen Welt entwickeln.

 

Deshalb hilft es, bei der Einführung neuer Datenanalysen die richtigen Fragen zu stellen. Zum Beispiel:

  • An welchen Stellen berühren Data Analytics unsere Bedürfnisse als Menschen?
  • Welche möglichen Reaktionen leiten wir daraus ab und wie gehen wir damit um?
  • Wie schaffen wir Transparenz, was den Mehrwert erhobener Daten betrifft?
  • Wie beteiligen wir Menschen an der Auseinandersetzung mit neuen Systemen?
  • Wie schaffen wir Räume, um Bedenken, Ängste und Misstrauen zu benennen?
  • Wie schützen wir Menschen davor, als Datenquellen missbraucht zu werden?
  • Welche Kompetenzen brauchen wir für die Nutzung von Daten Analytics?

 

Blackbox oder Freund? Diese Frage stellt sich nicht nur für Organisationen. Data Analytics und Algorithmen werden unsere Kultur vielleicht so stark beeinflussen wie die Sesshaftwerdung des Menschen vor 10.000 Jahren. Das wird nicht einfach so passieren, sondern unsere Kultur dort destabilisieren, wo die Einführung und Nutzung digitaler Tools undurchsichtig ist. Die Ausbalancierung der neuen Kultur können wir dann nicht Marktmechanismen oder staatlicher Entscheidungshoheit überlassen. Wir alle müssen daran beteiligt werden: Durch Kompetenz, Transparenz und Dialog.

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